Smartes Laden ohne dynamischen Stromtarif oder Smart Meter
Bisher sind intelligente Messsystem (Smart Meter) und/oder dynamische Stromtarife die Grundvoraussetzung dafür, damit Elektroautos netzdienlich und intelligent aufgeladen werden können. Doch der Rollout von Smart Metern kommt nur schleppend voran, so dass sich die drei Projektpartner der Aufgabe angenommen haben, smartes Laden auch ohne Smart Meter zu ermöglichen. So soll überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien bereits heute effizient genutzt werden können.
Dabei funktioniert das Projekt „Intelligentes Laden im Standardlastprofil“ (ISLP) wie folgt: Audi stellt Fahrzeuge zur Verfügung und ermittelt das vorhandene Flexibilitätspotenzial für eine Produktzeitscheibe. Hierzu erhält Audi von den Fahrzeugen aktuelle Informationen über das Ladeverhalten und den Ladezustand der Batterie. Über die myAudi-App werden zudem die Eingaben des Nutzers über die Ladeverfügbarkeit seines Fahrzeugs berücksichtigt.
TransnetBW sorgt unter Berücksichtigung der Eingangsdaten von Audi für die optimale Planung der Ladezeiten des Fahrzeugpools, die Bewirtschaftung der Flexibilität und den bilanziellen Ausgleich mit den Verteilnetzbetreibern. Basierend auf den Stromgroßhandelspreisen wird das Laden der einzelnen Fahrzeuge dabei optimiert und die Flexibilität am kontinuierlichen Intraday-Markt angeboten. Zusätzlich werden die Veränderungen des Stromverbrauchs der Marktlokationen im Vergleich zum Standardlastprofil aufgrund des veränderten Ladeverhaltens in den Differenzbilanzkreisen der jeweiligen Netzbetreiber bilanziert.
Tests mit 800 digitalen und 20 realen Fahrzeugen
Dieser Ansatz soll die Kombination von klassischen Stromverträgen mit Festpreis und der Vermarktung von Flexibilitäten ermöglichen, da die Vermarktung, Bilanzierung und Abrechnung der Flexibilitäten unabhängig vom Strombezugsvertrag erfolgt.
„Mit unserem Ansatz des intelligenten Ladens im Standardlastprofil haben TransnetBW, Audi und IE2S eindrucksvoll gezeigt, dass eine effiziente und wirtschaftliche Integration dezentraler Flexibilität in die Energiemärkte möglich ist. Denn je nach Ausstattung hat ein Haushalt mit flexiblen Verbrauchseinrichtungen das Potenzial, bis zur Hälfte des Haushaltsstromverbrauchs zu flexibilisieren, wobei Elektrofahrzeuge den größten Beitrag leisten“ sagt Rainer Pflaum, Mitglied der Geschäftsführung von TransnetBW.
Das Flexibilisierungspotenzial durch intelligentes Laden im Standardlastprofil wurde zunächst mit mehr als 800 digitalen Fahrzeugen („digital Twins“) in einer Testumgebung simuliert und anschließend mit rund 20 echten Elektrofahrzeugen der Marke Audi erfolgreich erprobt. Durch das intelligente Laden konnten die Stromkosten für das Laden von Elektrofahrzeugen um 62 Prozent gesenkt werden.
„Rechnet man die Ergebnisse unseres Pilotprojekts auf das Jahr 2035 hoch, könnten in Deutschland durch intelligentes Laden von Elektrofahrzeugen rund 2 Mrd. Euro eingespart und rund 1 Mio. Tonnen CO₂ pro Jahr vermieden werden“, ergänzt Rainer Pflaum.
Dieter Kunstmann, Senior Manager bei Intelligent Energy Systems, sagt zu den Projektergebnissen: „Unsere gemeinsame Lösung beweist, dass gesteuertes Laden nicht nur technisch machbar, sondern auch schnell skalierbar ist. Durch die direkte Ansteuerung des Elektrofahrzeugs lässt sich das System nahtlos in den Alltag der Nutzer integrieren – ganz ohne dynamische Preistarife, zusätzliche Systeme oder intelligente Messeinrichtungen. Dies ist ein entscheidender Schritt hin zu einer einfacheren, effizienteren und nachhaltigeren Elektromobilität.“
Allerdings ist eine Handelstätigkeit der Übertragungsnetzbetreiber außerhalb ihrer bisherigen Aufgaben bisher noch nicht im derzeitigen Rechts- und Verordnungsrahmen vorgesehen. Erst eine entsprechende Gesetzesänderung würde das erprobte Modell also möglich machen.
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