
Zeitbasiert reduzierte Netzentgelte: Ab April lädt das Elektroauto günstiger
Kein Scherz: Ab dem 1. April haben Besitzer einer Wallbox eine zusätzliche Wahlmöglichkeit, um den Fahrstrompreis zu senken. Im Paragraph 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist als neue Option ein zeitbasiert reduziertes Netzentgelt vorgesehen. Vereinfacht gesagt wird das Laden zu Uhrzeiten belohnt, in denen wenig elektrische Energie verbraucht wird. Diese Reduzierung gilt unabhängig von dynamischen Strompreisen; es ist aber plausibel, dass sich beides zu einem hohen Nachlass addiert.
Zunächst ist es wichtig, die Zusammensetzung des Strompreises an sich zu verstehen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) weist für 2024 durchschnittlich 41,59 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für Haushaltskunden aus. Dieser Wert setzt sich aus drei Komponenten zusammen: 18,1 Cent entfallen auf die Produktion selbst, den Vertrieb und den Gewinn. Weitere 10,27 Cent sind Steuern, Abgaben und Umlagen. Der dritte wesentliche Teil sind die Netzentgelte, die im letzten Jahr 13,22 Cent betragen haben.
Geld fürs Dimmen-dürfen
Wenn Besitzer von Elektroautos eine heimische Wallbox in Betrieb nehmen wollen, darf der Netzbetreiber das seit 1. Januar 2024 nicht mehr mit dem Verweis auf lokale Überlastungen verzögern oder ablehnen. Der Netzbetreiber darf steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie die Wallbox aber dimmen: Gemeint ist die Begrenzung der Leistung von elf auf 4,2 Kilowatt (kW) für bis zu zwei Stunden am Tag. Für diese Steuerbarkeit erhalten die Wallboxeigner als Gegenleistung reduzierte Netzentgelte.
Bisher konnten sie zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Senkung wählen, nämlich entweder einer jährlichen Pauschale, die zwischen 110 und 190 Euro liegt, oder einer durchgehenden Reduktion von 60 Prozent aufs Netzentgelt. In der Fachsprache nennen sich diese Optionen Modul 1 und Modul 2. Modul 2 wird meistens für den Betrieb von Wärmepumpen verwendet, die steuerbar sind.
Drei Zeitfenster: Siehe Preisblatt!
Neu ab 1. April ist Modul 3 als „Kann-Regelung“. Diese dritte Wahlmöglichkeit bei der Reduktion der Netzentgelte wird grundsätzlich mit Modul 1 kombiniert: zu der Pauschale kommt eine zeitbasierte Reduktion.
Hierfür definiert der jeweilige Netzbetreiber ein ganzes Jahr im Voraus drei feste Zeitfenster. Um zu prüfen, wie hoch die Reduktion beim jeweiligen Netzbetreiber wann ist, müssen die Endkunden das Preisblatt herunterladen.
Beispiel Hamburger Energienetze: Modul 1 sieht eine Jahrespauschale von 158,05 Euro vor. Hinzu kommt Modul 3 mit den jeweiligen Zeitfenstern und Entgelten. Im Bereich der Hamburger Energienetze sind zwischen 17.15 Uhr und 21 Uhr 16,25 Cent pro kWh fällig. Das ist der so genannte Hochtarif, den Elektroautobesitzer vermeiden sollten. Der Standardtarif von 12,11 Cent pro kWh gilt zwischen 21 Uhr und 0.30 Uhr sowie zwischen 7 und 17.15 Uhr. Attraktiv wird es im Niedertarif zwischen 0.30 Uhr und 7 Uhr: Hier beträgt das Netzentgelt lediglich 4,84 Cent pro kWh.
Abgerechnet wird über den Anbieter der Wahl
Die faktische Differenz zwischen dem teuersten und dem billigsten Netzentgeltfenster beträgt beim konkreten Beispiel der Hamburger Stromnetze also satte 11,41 Cent pro Kilowattstunde.
Zur Prüfung der eigenen Situation muss wie beschrieben das Preisblatt 2025 des lokalen Netzbetreibers geprüft werden – es gibt weit über 800 davon in Deutschland. Abgerechnet wiederum wird alles über den Stromanbieter der Wahl; hier ändert sich nichts.
Bestehen bleibt wie bisher die Möglichkeit, einen statischen oder dynamischen Stromtarif bei einem beliebigen Wunschversorger zu wählen.
Addition der Nachlässe
Es wird fraglos Besitzer von Wallboxen geben, die alles miteinander kombinieren, was geht, um Geld zu sparen: Die Produktion von elektrischer Energie durch die eigene Photovoltaikanlage sowie einen stationären Speicher, einen dynamischen Stromtarif und ein zeitbasiertes Netzentgelt.
„Variable Netzentgelte verstärken die Schwankungen dynamischer Strompreise“, erklärt Manuel Lösch von InnoCharge. In naher Zukunft, so der promovierte Ingenieur, wird das Markt- und Netz-orientierte Laden an der Wallbox eine Selbstverständlichkeit sein und zunehmend flexibler gestaltet.
InnoCharge hilft Stromlieferanten und Ladepunktbetreibern durch Ausnutzung von Flexibilitätspotenzialen attraktive Tarife zu gestalten und die Rentabilität zu erhöhen: „Wer nicht reagiert, wird Kunden verlieren“, ist Lösch überzeugt, dessen Unternehmen auch das B2B-Portal variable-netzentgelte.de betreibt.
Voraussetzung iMSys
So weit, so gut. Allerdings gibt es Fallstricke und Schwierigkeiten, die den Vorteil von Modul 3 aus Paragraph 14a vorübergehend verhindern können.
Die wichtigste Voraussetzung beim Besitzer der Wallbox ist der Einbau eines intelligenten Messsystems (iMSys), das häufig Smart Meter genannt wird. Dieser Begriff ist nicht präzise definiert und wird häufig missverständlich gebraucht. Ein iMSys ist eine digitale Messeinrichtung, die einen Smart Meter Gateway hat, also eine Kommunikationsfähigkeit nach außen. Und die kostet Geld.
Überarbeitete Gebühren für iMSys
Über die Frage, wie viel ein intelligentes Messsystem kosten darf, ist politisch lange gestritten worden.Die letzte Überarbeitung der zulässigen Gebühren im Paragraph 30 Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) stammt vom 25. Februar 2025. Die Höhe ist gestaffelt nach der Menge der abgenommenen Kilowattstunden und beginnt bei 30 Euro pro Jahr.
Besonders verbreitet dürfte die Staffel von 6.000 bis 10.000 kWh/a sein. Hier sind für den Anschlussnutzer Gebühren von bis zu 40 Euro pro Jahr erlaubt. Die detaillierte Auflistung ist unter anderem hier zu finden.
Großzügige Übergangsfristen – für die Netzbetreiber
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) weist auf Anfrage von electrive außerdem auf großzügige Übergangsfristen hin. Die Umsetzung des Paragraph 14a ist eigentlich seit 1. Januar 2024 verpflichtend, wenn der Netzbetreiber das auch tatsächlich kann. Eine trennscharfe Formulierung, was genau das bedeutet, ist nicht vorhanden; bei einzelnen Netzbetreibern hapert es noch an der Umsetzung, unter anderem beim Rollout der iMSys. Sicher ist nur, dass spätestens 2028 alles funktionieren muss.
Leak aus dem Bundeswirtschaftsministerium: Modul 4 für bidirektionales Laden
Unterdessen schlägt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) vor, noch im ersten Halbjahr ein Modul 4 einzuführen. Es wird, falls es beschlossen wird, eine wesentliche Verbesserung fürs bidirektionale Laden bewirken: Das Elektroauto als mobiler Speicher soll von den Netzentgelten befreit werden. Anders als bei Modul 1 bis 3 soll nach den geleakten Plänen des BMWK kein iMSys, sondern ein simpleres Smart Meter nach EU-Maßstab notwendig sein.
Die Befreiung von den Netzentgelten sowie die vereinfachte Abwicklung bieten das Potenzial für den Durchbruch des bidirektionalen Ladens – vorausgesetzt, es kommt zur zeitnahen Umsetzung dieser Vorschläge und das möglicherweise unter Leitung eines neuen Bundeswirtschaftsministers.
Zum Elektroauto genötigt
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass der Betrieb eines Elektroautos mit der Einführung der zeitbasiert reduzierten Netzentgelte zum 1. April bei den Kosten nochmals attraktiver wird. Zumindest, wenn eine eigene Wallbox vorhanden ist.
Die Wege zum günstigen Fahrstrompreis sind mit der Überarbeitung von Paragraph 14a nochmals vielfältiger. Für immer mehr Anwendungsfälle ist das Elektroauto schlicht die preisgünstigste Lösung. An dieser Wirklichkeit kommt niemand vorbei, der die Bereitschaft hat, sich damit zu befassen.
Weiterführende Details hat die BNetzA hier im Überblick.
30 Kommentare