P3-Whitepaper: Wie marktreif ist bidirektionales Laden?

Die auf Elektromobilität spezialisierte Unternehmensberatung P3 hat einen Überblick über verschiedene Vehicle-to-Grid-Anwendungen mit Fokus auf Deutschland gegeben. Dabei dient die Frage als Leitfaden, ob bidirektionales Laden den aktuellen Hype Wert ist. Klar ist: Beim Reifegrad der unterschiedlichen Use Cases gibt es noch eine große Bandbreite.

Bild: P3

Auf 24 Seiten widmet sich P3 in seinem nun vorgelegten Whitepaper den verschiedenen Use Cases zur Rückspeisung von Strom aus Autobatterien. Der Titel: „Bidirectional Charging – Worth the Hype? – Exploring Use Cases from Vehicle-to-Home to Vehicle-to-Grid“. Wie P3 in seiner Analyse zu Beginn hervorhebt, treiben mehrere Faktoren die Entwicklung und Einführung des bidirektionalen Ladens voran. An erster Stelle steht die zunehmende Verbreitung von erneuerbaren Energiequellen. Da Wind- und Sonnenenergie von Natur aus unstetig sind, erfordern sie flexible Speicherlösungen. E-Fahrzeuge mit bidirektionalen Funktionen bieten eine dezentrale, skalierbare Möglichkeit des Energieausgleichs.

Ein weiterer treibender Faktor ist gemäß den Studienmachern das Streben nach Netzresilienz. Herkömmliche Energienetze stehen aufgrund der steigenden Stromnachfrage und klimabedingter Störungen zunehmend unter Druck. In dem Dokument heißt es dazu: „Der Einsatz von Elektrofahrzeug-Batterien zur Netzunterstützung kann die Übertragungsinfrastruktur entlasten und die Abhängigkeit von fossilen Spitzenlastkraftwerken verringern“.

Darüber hinaus bietet das bidirektionale Laden potenzielle wirtschaftliche Vorteile für die Besitzer von Elektrofahrzeugen. Durch die Rückspeisung von Strom in das Netz zu Spitzenzeiten können die Fahrer zusätzliche Einnahmen erzielen, die die Ladekosten ausgleichen und die Gesamtbetriebskosten verbessern.

Einige Herausforderungen bleiben

Trotz seiner vielversprechenden Eigenschaften gibt es jedoch auch Probleme beim bidirektionalen Laden. Eine der größten technischen Hürden ist die Degradation der Batterien. Häufige zyklische Lade- und Entladevorgänge beeinträchtigen die Langlebigkeit der Batterien, wobei die ständigen Fortschritte in der Batteriechemie und bei intelligenten Ladealgorithmen diese Bedenken zu entkräften beginnen. P3 erklärt: „Intelligente Ladestrategien, kombiniert mit KI-gesteuertem Energiemanagement, können den bidirektionalen Energiefluss optimieren und gleichzeitig den Batterieverschleiß minimieren.“

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Interoperabilität: Damit sich das bidirektionale Laden effektiv verbreiten kann, müssen standardisierte Kommunikationsprotokolle zwischen Fahrzeugen, Ladegeräten und Netzbetreibern eingeführt werden. Brancheninitiativen wie ISO 15118 und CHAdeMO machen den Analysten zufolge Fortschritte in dieser Richtung.
Darüber hinaus müssten die rechtlichen und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Gegenwärtig unterstützen die Strukturen des Energiemarktes bidirektionale Energietransaktionen nicht durchgängig, wie das Dokument hervorhebt: „Klare rechtliche Rahmenbedingungen und Marktanreize werden entscheidend sein, um das volle Potenzial des bidirektionalen Ladens zu erschließen.“

Im Detail: Anwendungsfälle erklärt

Wichtig für den Hinterkopf: Die Autoren Markus Hackmann, Lea von Guttenberg und Bendiks Herbold weisen darauf hin, dass der P3-Leitfaden aus der Perspektive des deutschen Marktes entwickelt wurde und sich auf Pkw konzentriert. Um Interessierten dabei zu helfen, sich in der Komplexität des bidirektionalen Ladens zurechtzufinden, enthält das Dokument acht sogenannte One-Pager, die sich mit den verschiedenen Anwendungsfällen befassen. Bei den meisten dieser Anwendungen handelt es sich um V2H-Anwendungen (Fahrzeug-zu-Haus-Anwendungen), zum Beispiel die Nutzung des bidirektionalen Ladens zur Optimierung des Energieverbrauchs, ergo „von selbst erzeugtem Photovoltaik-Strom“. P3 skizziert die technischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Aspekte der einzelnen Anwendungen stuft jeweils ihre „Reife“ ein. So hält P3 beispielsweise den rechtlichen Rahmen für V2H-Anwendungen für sehr ausgereift, während die Technologie und die wirtschaftlichen Vorteile noch verbessert werden könnten.

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Optimierung des Energieverbrauchs
Grafik: P3/Vincent Padrutt

Bei den Vehicle-to-Grid-Anwendungen (Fahrzeug-zu-Netz-Anwendungen) befinden sich den Autoren zufolge die präsentierten Use Cases noch in der Anfangsphase. P3 unterscheidet hauptsächlich in „Arbitrage (in-front-of-the-meter)“, bei denen „Lade- und Entladevorgänge auf der Grundlage aktiver Geschäfte auf den Stromgroßhandelsmärkten gesteuert werden“, und in „Frequenzdienstleistungen“. Im letzteren Fall wird ein fester Anteil der Batteriekapazität des Elektrofahrzeugs an einen Energiedienstleister für Systemdienstleistungen ‚vermietet’“, erklärt P3.

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Arbitrage (in-front-of-the-meter)
Grafik: P3/Vincent Padrutt



Betrachten wir zunächst die erste Variante. Die Autoren weisen darauf hin, dass „angesichts der schwankenden Marktpreise aufgrund des zunehmenden Anteils volatiler erneuerbarer Energien die [Arbitrage]-Strategie ein erhebliches Ertragspotenzial bietet“. Außerdem bleibt der Energieverbrauch des Haushalts davon unberührt. Um diese Strategie zu verwirklichen, muss der Haushalt mit einem intelligenten Zähler ausgestattet sein, und es wird ein Aggregator benötigt. Für die technische Reife vergibt P3 mit Blick auf dieser Anwendung zwei von drei Punkten.

Als Hauptproblem sehen die Analysten die Wirtschaftlichkeit, da in Deutschland eine Doppelbesteuerung von Energiespeichersystemen besteht. Die Energie wird besteuert, wenn sie ins Netz eingespeist wird, und wenn sie aus dem Netz entnommen wird. Außerdem sind mit diesem Anwendungsfall Netzentgelte und Messkosten verbunden. Nichtsdestotrotz sieht P3 das Potenzial für neue Geschäftsmodelle, wie z.B. „neue (intelligente) Energietarife, um die Handelseinnahmen mit dem Eigentümer des EV zu teilen“.

Der Anwendungsfall „Frequenzdienstleistungen“ ist noch weiter von einem Massenmarktpotenzial entfernt. In diesem Fall ist der Markt nämlich limitiert: 200.000 E-Fahrzeuge würden laut P3 ausreichen, um das Netz in Deutschland zu regulieren. Und „die zusätzliche finanzielle Belastung durch Steuern, Abgaben und Zuschläge auf Strom, der in bidirektionalen E-Fahrzeugen zwischengespeichert wird, verringert die wirtschaftliche Attraktivität des Anwendungsfalls zusätzlich“.

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Frequenzdienstleistungen
Grafik: P3/Vincent Padrutt


Kurz erwähnt wird in dem Whitepaper zudem ein bisher noch nicht entwickelter V2G-Use-Case namens „Sonstige ergänzende Dienstleistungen“, die künftig von bidirektionalen Elektrofahrzeugen angeboten werden könnten. Dazu gehören insbesondere das Engpassmanagement (Stichwort: Redispatch) oder lokale Flexibilität (§ 14a EnWG, etc.).

Zukunft ebnen: Skalierung des bidirektionalen Ladens

Um das Potenzial des bidirektionalen Ladens voll auszuschöpfen, müssen nach Ansicht von P3 mehrere wichtige Schritte unternommen werden.

  • Investitionen in die Ladeinfrastruktur: Der Ausbau des Netzes von bidirektionalen Ladestationen ist für eine breite Akzeptanz unerlässlich. Regierungen und private Unternehmen müssen bei der Finanzierung der Infrastruktur zusammenarbeiten.
  • Regulierungs- und Marktreformen: Politische Entscheidungsträger sollten Rahmenbedingungen schaffen, die Anreize für die Teilnahme an V2G schaffen, einschließlich dynamischer Preismodelle und Vergütungssysteme.
  • Technologische Innovation: Kontinuierliche Fortschritte bei der Batterieleistung, intelligenter Ladesoftware und Netzintegrationstechnologien werden für die Optimierung von Effizienz und Zuverlässigkeit entscheidend sein.
  • Sensibilisierung und Engagement der Verbraucher: Die Aufklärung der Besitzer von Elektrofahrzeugen über die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile des bidirektionalen Ladens wird die Teilnahme an den Energiemärkten fördern.

Entwicklungen in der Branche und erste Praxisschritte

Mehrere Automobilhersteller und Technologieunternehmen leisten bereits Pionierarbeit bei bidirektionalen Ladelösungen. Nissans Leaf war beispielsweise ein früher Pionier des V2H-Ladens, der elektrische Renault R5 hat die V2G-Funktion kürzlich vollends (fahrzeugseitig) marktfähig gemacht – übrigens mithilfe von Tarifen von The Mobility House, ebenfalls ein Pionier an der Schnittstelle von Energie und Mobilität. Auch europäische Projekte wie EV4EU und der britische Versuch Electric Nation demonstrieren die Vorteile des bidirektionalen Energieaustauschs in der Praxis. Bemerkenswert ist auch ein aktuelles V2G-Projekt in Utrecht, das bidirektionales Laden und Carsharing koppelt.

Das Dokument unterstreicht die Bedeutung dieser Initiativen: „Groß angelegte Versuche und Pilotprojekte werden bei der Validierung von Geschäftsmodellen und der technologischen Machbarkeit eine wichtige Rolle spielen.“
Den Autoren zufolge stellt das bidirektionale Laden einen Paradigmenwechsel in der Betrachtung von Elektrofahrzeugen dar – nicht nur als Transportlösung, sondern als integraler Bestandteil eines flexiblen, dekarbonisierten Energienetzes. Auch wenn es noch Herausforderungen gibt, schaffen die kontinuierliche Zusammenarbeit der Industrie, die Entwicklung der Politik und der technologische Fortschritt die Voraussetzungen für eine neue Ära der Energieresilienz und Nachhaltigkeit. Das Dokument schließt wie folgt: „Bidirektionales Laden wird eine entscheidende Rolle bei der Elektrifizierung der Mobilität und der Energiewende spielen und Synergien zwischen dem Verkehrs- und dem Energiesektor schaffen.“

p3-group.com

11 Kommentare

zu „P3-Whitepaper: Wie marktreif ist bidirektionales Laden?“
Sig
01.04.2025 um 07:40
netzdienliches Laden mit SchuKo und Zweitarifsignal wäre am günstigen und effektivsten. Bahnparkplätze wären ideal dafür.
Charly
01.04.2025 um 10:28
Was für ein Theater. Wie einfach wäre es die Stromzähler einfach auch rückwärts laufen zu lassen. Mit dynamischen Stromverträgen würden die Kunden genau dann einspeisen, wenn der Strom teuer ist und beziehen wenn der Strom billig ist. Alle Probleme wären gelöst, teurer Netzausbau könnte stark reduziert werden, Wind und PV müssten nicht abgeregelt werden und dem Klima wäre auch geholfen. Als Regelgröße würde einzig und allein der Strompreis dienen. Aber man will eben den kleinen Mann /Frau nicht mitverdienen lassen.
Schwabengarage
03.04.2025 um 09:14
zu diesen Ausführungen habe ich mehrere Fragen bzw. Anmerkungen.Ein Zähler der rückwärts läuft und gleichzeitig dynamische Stromtarife abrechnen kann, ist meiner Meinung nicht möglich. Werden kWh 15-Minutengenau erfasst und abgerechnet, welche kWh sollen dann abgezogen werden, wenn er rückwärts läuft? wie soll das verrechnet werden?Der Strompreis allein ist kein Indiz für Netzauslastung. Anders gesprochen, ein günstiger Strompreis bedeutet nicht, dass das Netz zu der Zeit wenig belastet ist. Netzausbau, Abregelung etc. müssten immer noch stattfinden.
E. Wolf
01.04.2025 um 14:57
Zitat: "So hält P3 beispielsweise den rechtlichen Rahmen für V2H-Anwendungen für sehr ausgereift, ... "Was soll diese Aussage ?Da brauchte nie etwas zu reifen !!! Da gab es noch nie irgendein Problem, mit 3 Ausnahmen: - eAutolieferanten verweigern den "Durchgriff" auf die Batterie - DC-BiDi-Wallbox Hersteller verweigern Produkte - ChaDeMo konnte es von Hause aus, CCS wurde die Funktionalität verweigert.Rechtlich, regulatorisch und steuerrechtlich gab immer nur vorgeschobene Gründe. Wir Kunden müssen hier energisch auftreten und die Freigabe der CCS Schnittstelle für V2H fordern !Dann nur dann bewegt sich etwas und Interoperabilität hat für zu Hause erst einmal keinen Wert - es ist nur 1 Haus und 1 eAuto. Von daher lösen wir die 80% und die restlichen 20% folgen automatisch !
Axel Kunze
01.04.2025 um 15:05
Das trifft den Nagel auf den Kopf was charly schreibt, treffender kann man die Lösung der Energiewende beschreiben.
Frank
01.04.2025 um 15:29
Wie immer, alles muss bis ins letzte noch so unwahrscheinliche Detail verwaltungstechnisch und eichrechtskonform abgebildet werden. Da sind die Arbeitsplätze für die nächsten 10 Jahre sicher. Andere bringen unstrittiges einfach an den Start, wie z.B. V2L, V2H. In Holland gibt es Provider, die für eingespeisten PV-Strom eine Gutschrift auf Deinen Zählerstand schreiben. Und wer glaubt das 900 Mrd.€ Sondervermögen in die alten Strukturen gegebenes Geld, wäre gut investiertes Geld, den gebe ich gerne folgende Definition mit auf dem Weg. Wahnsinn ist u.a. auch, immer wieder die selben Dinge zu tun um auf ein anderes Ergebnis zu warten. Aber mir Egal, ich muss das ja nicht bezahlen.
Berry
01.04.2025 um 15:59
Die große Frage: Bekommen die OEM Ihre Betriebsstunden in den Griff? Und was ist mit der Gesamteffizenz beim rein und rausladen? Ich find es grundsätzlich aber sehr gut und wichtig. Nur wird der Kunde kaum Lust haben auf irgendwelche Betriebsstunden oder kWh Budgets zu achten (siehe Ankündigung VW)
Solarteur
01.04.2025 um 19:40
In Fukushima wurde das bidirektionale Laden nach der Katastrophe kurzfristig umgesetzt. Dies diente unter anderem dazu, die dezentralen Netze zu stabilisieren bzw. Notstromversorgung zu gewährleisten. Bei der heutigen politischen Lage, wäre das doch auch ein Argument für schwarz/rot dieses schnellstmöglich zuzulassen, um schnellstmöglich Erfahrungen zu sammeln, die ausser Japan vielleicht noch kein anderes Land der Welt hat. Was wiederum wettbewerbsvorteile für die hiesige Wirtschaft bringt in guten Zeiten) und eine Sicherung der Energieversorgung in wirklich schlechten Zeiten. Wie wir bei Sndra Maischberger gesehen haben und der oberste Soldat der Bundeswehr berichtet hat, werden unsere Umspannwerke von russischen Menschen, die sich als Soldaten der Bundeswehr ausgeben, detailliert in Augenschein genommen. Da weiß man doch schon, wo es im Ernstfall drauf hinaus läuft. Ich hoffe die jetzige Politik hat das auf dem Schirm! Aber ich blaube leider eher nicht. Desweiteren kann ich Berry und E Wolf nur zustimmen.
Andreas Ranftl
02.04.2025 um 06:40
https://www.facebook.com/photo?fbid=1143357193879532&set=a.105946117620650Kommt bald unter www.evab.co.at
Alfred Heider
02.04.2025 um 15:40
Die V2H-Möglichkeit wären für mich und einigen Bekannten ein Argument, früher auf E-Mobilität umzusteigen.
Matthias
06.04.2025 um 08:21
Technisch sehe ich V2G als sehr geeignete Möglichkeit. Sehe ich, wie mein Akku, jetzt nach 100tkm degradiert und würde ich mir das jetzt vorstellen, dass das höher wird, wäre das ein NoGo für meinen Alltag, die Kosten würde ich durch weniger Nutzwert gegenrechnen. Aber, was ich als Privatmensch vielleicht nicht so leicht akzeptieren kann, es gibt ausreichend Möglichkeiten die aktuellen und kommenden Fahrzeuge der öffentlichen Verwaltung dafür einzusetzen. Wenn die Menge von 200.000 Fahrzeugen bereits ausreicht für ein positives Ergebnis, dann sollte es hier doch machbarer sein. Auch sind, an diesen dann eher zentralisierten Standorten die technischen Lösungen wirtschaftlicher umzusetzen. Privat halte ich für längere Zeit die V2L Technik für die einzig, tatsächlich umsetzbare Variante einen Nutzen zu bringen. Alternative wäre, wenn die Hersteller hier die Garantie für die komplette Nutzung übernehmen.

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