VW enthüllt ADAS-System für künftige E-Autos in China

Der Volkswagen-Konzern stellt auf der Shanghai Autoshow sein erstes eigenes automatisiertes Fahrsystem vor. Das von Cariads Joint Venture Carizon entwickelte System ist "speziell für Chinas komplexe Verkehrsverhältnisse" konzipiert worden und soll Fahrfunktionen bis zu Level 2++ beherrschen.

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Bild: Volkswagen

Volkswagen positioniert sein automatisiertes Fahrsystem (ADAS) in China als eine Lösung für „besonders natürliches und sicheres Fahrverhalten“ und gibt an, die Technologie bereits in diesem Jahr in einem ersten Modell der Marke Volkswagen vorzustellen und sie ab 2026 in China in eine neue Generation von Smartcars in der Kompaktklasse integrieren zu wollen. Damit versucht der deutsche Konzern zur chinesischen Konkurrenz aufzuschließen. Denn in China ist der Markt für E-Autos inzwischen derart umkämpft, dass ADAS zunehmend zum entscheidenden Verkaufsargument werden. Selbst im Niedrigpreissegment ist der Trend angekommen: Chinas größter E-Auto-Hersteller BYD kündigte beispielsweise im Februar an, sein Assistenzsystem namens „God’s Eye“ künftig auch in Kleinwagen zu integrieren.

Cariad-Joint-Venture Carizon im Lead

Nun offenbart also Volkswagen auf der diese Woche startenden Shanghai Autoshow, wie der Konzern die Konkurrenzfähigkeit in diesem Bereich wiederherstellen will. Das von Volkswagens gebeutelter Software-Schmiede Cariad über dessen Joint Venture Carizon verantwortete System soll „hochpräzise und ganz auf Sicherheit ausgerichtete Fahrfunktionen bis zu Level 2++ bieten und den Weg für die Weiterentwicklung zu Level 3 und höher ebnen“, wie der Autobauer schreibt. Level 2 bietet im Spektrum des automatisierten Fahrens (von L1 bis L5) sogenannte teilautomatisierte Fahrhilfen. Im Fall von 2++ gilt dies sowohl für Autobahn- als auch Stadtverkehrs-Szenarien. Der Sprung zu Level 3 („Hochautomatisiertes Fahren“) besteht darin, dass sich Fahrer erst dann auch vorübergehend von Fahraufgaben und Verkehr abwenden können.

Technisch basiert Volkswagens neue ADAS-Lösung auf einem System-on-a-Chip (SoC)-Ansatz, bei dem etliche Komponenten (einschließlich Prozessor und Speicher) in einem einzigen Chip integriert sind. Dieses kompakte Design soll laut Volkswagen gepaart mit einer hohen Rechenleistung „reibungslose und schnelle Reaktionen auf eine Vielzahl von Fahrsituationen ermöglichen“.

Eigene Entwicklungskompetenz „in China, für China“

Die Wolfsburger selbst bezeichnen das eigene ADAS für China als „wichtigen Meilenstein beim Aufbau einer eigenen Entwicklungskompetenz für Kerntechnologien, die von chinesischen Kunden stark nachgefragt werden“. In Fernost legen Nutzer bekanntlich höheren Wert auf Infotainment- und Vernetzungsfunktionen in ihren Pkw als beispielsweise in Europa. Volkswagen schreibt dazu: „Auf dem chinesischen Markt ist bereits heute ein Viertel aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit einem Fahrsystem der Level 2 für Autobahnszenarien ausgestattet. Bis 2030 wird erwartet, dass Level 2+ in mehr als 80 Prozent der Bestandsfahrzeuge im Einsatz sein wird. Level 2++ […] soll dann voraussichtlich in 75 Prozent der Neuwagen verbaut sein.“

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Grafik: Volkswagen

Vor diesem Hintergrund hatte der Konzern im November 2023 Carizon gegründet, ein Joint Venture zwischen dem konzerneigenen Software-Entwickler Cariad und dem chinesischen Tech-Unternehmen Horizon Robotics. Das Gemeinschafts-Unternehmen fokussiert sich auf automatisierte Fahrsysteme für den chinesischen Markt. „Mehr als 500 Software-Experten haben in den vergangen 18 Monaten an den Standorten Peking und Shanghai die Entwicklung der neuen ADAS-Technologie vorangetrieben“, teilt Volkswagen mit.

Volkswagen kündigte zur Gründung von Carizon Ende 2023 an, 2,4 Milliarden Euro zu investieren (teils in Horizon Robotics, teils in das JV) und eine 60-prozentige Beteiligung an dem Joint Venture zu halten. Partner Horizon Robotics ist ein Technologieunternehmen mit Sitz in Peking mit Fokus auf ADAS-Software- und Hardwarelösungen. In puncto Hardware konkurriert das Unternehmen mit Platzhirsch Nvidia. Zu den bekannten Kunden von Horizon Robotics zählen u.a. BYD und Changan.

Ralf Brandstätter, Konzernvorstand der Volkswagen AG für die Region China und CEO der Volkswagen Group China, kommentiert den kommenden Messe-Auftritt wie folgt: “ Mit unserem neuen ADAS-System zeigen wir, was möglich ist, wenn wir die Stärken von Volkswagen konsequent mit lokalen Innovationskraft zusammenführen.“ Die Technologie sei mit „China-Speed“ entwickelt worden, ganz auf die Bedürfnisse der chinesischen Kunden zugeschnitten und werde insbesondere bei Fahrverhalten, Sicherheit und Qualität ein Ausrufezeichen im Markt setzen. „Der schnelle Fortschritt bei der Entwicklung des Systems unterstreicht die Leistungsfähigkeit unseres Joint Ventures CARIZON und die Umsetzungsstärke unserer ‚In China, für China‘-Strategie“, so Brandstätter weiter.

Training mit KI-gestützter Datenplattform GAIA

Garant für die Performance des neuen Systems ist Carizons proprietäre KI-gestützte Datenplattform namens GAIA, eine Plattform für die intelligente Erfassung und Analyse von Daten. „Mit täglich zwei Terabyte gesammelten Daten pro Fahrzeug und täglich über 100.000 absolvierten Testkilometern ermöglicht GAIA eine hochautomatisiertes KI-Training der Fahrzeug-Software“, heißt es dazu. Im Vergleich zu herkömmlichen Datenplattformen ohne KI-gestützte Big-Data-Technologie analysiere die Plattform Daten rund sechsmal schneller und verkürze die Prüfzyklen für KI-Lösungen auf nur ein Zwanzigstel der bisherigen Dauer. Dadurch sieht sich Carizon in der Lage, „Hunderttausende von realen Fahrszenarien mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit und Genauigkeit zu generieren und zu validieren“, was wiederum den Entwicklungszyklus beschleunigt.

Marcus Hafkemeyer, CEO von CARIZON, präzisiert: „Mit einem Team von 500 lokalen ADAS-Experten und der konsequenten Integration von künstlicher Intelligenz in den Entwicklungsprozess haben wir in kürzester Zeit ein fortschrittliches ADAS-System aufgebaut, das insbesondere bei Fahrverhalten und Sicherheit sehr leistungsfähig sein wird. Schon in diesem Jahr werden wir Level 2+ ADAS auf die Straße bringen. Level 2++ ADAS mit Urban Navigate on Autopilot befindet sich im fortgeschrittenen Praxistest und wird 2026 in den Markt eingeführt. Damit schaffen wir auch die technologischen Grundvoraussetzungen für eine zügige Weiterentwicklung des Systems auf Level 3.“

In diesem Zusammenhang bezeichnen die Verantwortlichen die Shanghai Autoshow als sehr wichtige Messe. Das Unternehmen zeigt dort erstmals eine neue Generation smarter Elektro-Fahrzeuge der Marken Audi und Volkswagen, die exklusiv in China für die chinesischen Kunden entwickelt wurden. Bis 2027 will der Konzern in China mehr als 20 vollelektrische und elektrifizierte Modelle auf den Markt bringen. Bis 2030 sollen die Konzernmarken bereits auf rund 30 reine Elektromodelle kommen.

Chinas Regierung hegt Smartcar-Markt ein

Erwähnenswert ist noch, dass das Messedebüt von Volkswagens eigenen ADAS-System just mit dem Moment zusammenfällt, an dem China damit beginnt, den Einsatz und die Vermarktung von Software-basierten Fahrassistenzsystemen im Land stärker zu regulieren: Hersteller erhalten die Vorgabe, auf die Verwendung von Begriffen wie „selbstfahrend“ oder „autonomes Fahren“ zu verzichten, keine öffentlichen Beta-Tests mehr zu absolvieren und Over-the-Air-Updates erst nach abgeschlossener Validierung durchzuführen.

Dem Staat macht laut Branchenkennern Sorge, dass das Nutzerbewusstsein über die Limits solcher Systeme nicht genügend ausgeprägt ist und dass das Marketing der Firmen die Irreführung der Verbraucher noch befeuern könnte. Infolgedessen kommt es in China offenbar schon heute vermehrt zu Verkehrsunfällen. Für große Aufmerksamkeit sorgte in Land jüngst ein besonders gravierender Crash mit einem Xiaomi SU7, bei dem drei Frauen starben. Nach bisherigen Erkenntnissen war bei dem Unfall die Fahrassistenzsoftware aktiviert.

Chinesische Portale wie Car News China werten die Bekanntgabe der strengeren Vorschriften zum jetzigen Zeitpunkt – nämlich unmittelbar vor dem Auftakt der Shanghai Auto Show, auf der autonome Fahrfunktionen stark beworben werden dürften – als „Signal der Entschlossenheit der Regierung, diesen Sektor strenger zu regulieren“. Auch für Batterien hat der Staat parallel gerade strengere Sicherheitsnormen vorgestellt, die ab 2026 in Kraft treten sollen. Beides zusammen könnte laut Experten eine Konsolidierung in Chinas überfüllter Autoindustrie beschleunigen.

volkswagen-group.com

2 Kommentare

zu „VW enthüllt ADAS-System für künftige E-Autos in China“
VW is done
22.04.2025 um 14:58
Zitat "eine Konsolidierung in Chinas überfüllter Autoindustrie beschleunigen" oder besser gleich "VW Group is done in China. [...] VW is simply not competitive in the BEV [...]segment". Das aktuelle Ausmaß: x.com/alojoh/status/1911304756212949205/photo/1 .. Im Jahr 2019 hat China noch ca. 20% zum weltweiten VW Group Konzernumsatz beigetragen. Im Q4 2024 waren es nur noch 1/10 davon, ganze 2,2%. ADAS wird die VW Group in China nicht retten können, oder um es in Brandstätters Worten zu sagen, die VW Group wird in „China-Speed“ in der Bedeutungslosigkeit enden. Grüßle, euer 'kein VW-Fanboy'
Thomas G
22.04.2025 um 16:30
@VW ist Done: Die AG macht 320 Mrd € Umsatz. Die JV aus China werden im Umsatz nicht konsolidiert. (Die JV selbst haben selbst immer noch Margen von über 7 % im Jahre 2024 erzielt.) Welche Ahnung haben Sie von der BWL? Machen Sie sich um VW keine Gedanken. Aber anscheinend machen Sie sich doch welche. Haben Sie nichts besseres zu tun im Homeoffice oder in der Rente?VW ist zwar in Wolfsburg satt und träge geworden, aber das Gegenteil ist in Ahnui der Fall.VW wird „leider“ überleben auch wenn es ihnen nicht passt. Das ist aber Ihr Problem…LG !

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