E-Sportler mit 1.000 kW – Mercedes AMG GT XX
Das Concept AMG GT XX steht für die Stoßrichtung von AMGs künftigen Elektro-Sportwagen. Die 800-Volt-Studie soll mit einer Spitzenleistung von über 1.000 kW bis zu 360 km/h schnell werden. Der über fünf Meter lange Bolide beherbergt dafür den neuen Allradantrieb AMG Performance 4MATIC+ mit drei komplett voneinander entkoppelten Elektromotoren, die eine variable Momentenverteilung auf Vorder- und Hinterräder erlauben. Die Maße der Studie lauten 5,2 x 1,95 x 1,32 Meter – damit fällt sie Sportwagen-typisch sehr flach aus. Bei der Batterie setzt AMG auf Rundzellen mit NCMA-Chemie, wobei sich die DC-Ladeleistung auf 850 kW belaufen soll. „So kann das Konzeptfahrzeug in rund fünf Minuten die Energie für etwa 400 Kilometer Reichweite (WLTP) nachladen“, teilt die Marke aus Affalterbach mit.
Der Karosserie-Rohbau des Concept AMG GT XX basiert auf der neuen AMG.EA („AMG Electric Architecture“), die speziell für die künftigen Performance-Modelle von Mercedes-AMG konzipiert ist. Auf ihrer Basis steht bereits der Technologieträger Vision EQXX, den Mercedes-Benz im Rahmen der CES 2022 erstmals präsentiert hatte. 2024 kündigte AMG zudem ein SUV auf dieser Basis an.
Der nun neu präsentierten Studie attestieren die Affalterbacher „ein revolutionäres Antriebskonzept“. An dessen Entwicklung sind etliche Teams beteiligt, etwa von Mercedes‑Benz in Sindelfingen und Untertürkheim, von Mercedes‑AMG in Affalterbach und von Yasa in England – ergänzt um Formel‑1-Antriebsexperten bei Mercedes‑AMG High Performance Powertrains in Brixworth.








Schauen wir uns die Motoren genauer an: Die Axialflussmotoren wurden von den Entwicklern in sogenannte High Performance Electric Drive Units („HP.EDU“) eingebaut. An der Hinterachse enthält die HP.EDU zwei Motoren, die gemeinsam jeweils mit einem kompakten Planetenradgetriebe und einem Inverter in einem Gehäuse vereint sind. Die Motoren und die Getriebe sind dabei ölgekühlt. Die dazu erforderliche Pump Control Unit mit Hydraulikpumpen und Saugfiltern ist ebenfalls platzsparend in die HP.EDU integriert. Das entsprechende Gehäuse an der Vorderachse besteht neben einem dritten Axialflussmotor aus einem Stirnradgetriebe und ebenfalls einem Inverter. Wichtig: Der vordere Elektroantrieb fungiert in dem System als „Boostermotor“. Er wird laut Mercedes AMG nur dann zugeschaltet, wenn die entsprechende zusätzliche Leistung oder Traktion an der Vorderachse benötigt wird. Andernfalls entkoppelt ihn eine Disconnect Unit (DCU).
Zur Funktionsweise von Axialflussmotoren noch Folgendes: Bei diesen Maschinen verläuft der elektromagnetische Fluss parallel zur Drehachse des Motors. Im konventionellen Elektromotor bewegt er sich dagegen senkrecht zur Drehachse. Die großen Bauteile sind beim Axialflussmotor als schmale Scheiben gestaltet: Dabei umschließen zwei Rotoren sandwichartig den Stator links und rechts. Diese Anordnung von Stator und Rotoren ermöglicht eine bessere Kraftübertragung durch das vom Stator erzeugte elektrische Feld auf die Rotoren. Im Concept AMG GT XX ist diese Kombination an der Vorderachse nur knapp neun Zentimeter breit; die beiden Motoren an der Hinterachse messen laut den Entwicklern jeweils sogar nur rund acht Zentimeter Breite.
Die technologische Grundlage für den Antrieb wurde zunächst von Yasa entwickelt, einer 100-prozentigen Tochter der Mercedes‑Benz AG. Für den Einsatz in der Studie und später in der Serie wurde das Konzept aber unter Mitwirkung von Mercedes‑AMG „auf eine völlig neue Leistungsstufe gehoben“, wie es heißt. Die Elektromotoren sollen 2026 in die Serienproduktion gehen.
Auch bei der Batterie ist Mercedes-AMG neue Wege gegangen. Wie groß diese im Konzept ausfällt, nennt die Marke zwar nicht, aber dafür so ziemlich jedes andere technische Detail rund um den Energiespeicher. So handelt es sich um einen Akku, der gleichzeitig Teil der Fahrzeugstruktur ist und daher mittig in die Struktur des E-Skateboards sitzt. Sein Gehäuse umschließt die Zellmodule, alle Schaltbauteile und das Batterie-Management-System (BMS). Bei der Entwicklung Priorität hatten laut AMG drei Aspekte: neuartige Batteriezellen, die Direktkühlung der Zellen und eine vergleichsweise hohe Spannung, letztere liegt bei 800 Volt.
Herzstück der Batterie sind schmale und hohe Rundzellen, die sich dank ihres geringen Durchmessers gut per Direktkühlung temperieren lassen. „Die bei Last entstehende Wärme kann schnell abgeführt und jede einzelne Zelle in einem optimalen Temperaturbereich gehalten werden“, so AMG. Auch das Aluminium-Zellgehäuse sei dabei eine Neuentwicklung. Die Zellen selbst sind als „Full-Tab“ ausgeführt, der Zellwickel ist also an die Pole angebunden. Dadurch kann der Innenwiderstand der Zellen gesenkt werden. Bei der Zellchemie setzen die Entwickler auf NCMA (Nickel/Kobalt/Mangan/Aluminium) in der Kathode sowie einer siliziumhaltigen Anode, was zu einer Energiedichte von über 300 Wh/kg bzw. 740 Wh/l auf Zellebene führen soll. Die Kombination aus diesen Features soll den E-Sportwagen künftig vor allem im Bereich der Dauerleistung zugutekommen. Im Concept AMG GT XX kommen nach Angaben der Verantwortlichen über 3.000 Zellen zum Einsatz.
Dank der Direktkühlung kommen auch die bereits erwähnten hohen Ladeleistungen zustande. Die Rede ist von einer „Durchschnitts-Ladeleistung von mehr als 850 kW bei 1.000 Ampere über einen großen Bereich der Ladekurve“. Vor diesem Hintergrund will Mercedes-Benz mit Blick auf das künftige Serienmodell die Infrastruktur des eigenen Mercedes‑Benz Charging Networks mit einer nächsten Generation von Hochleistungs-Ladesäulen erweitern. Hintergrund: Die aktuellen Lader unterstützen Ladeleistungen in dieser Höhe nicht.
Neben dem Antrieb glänzt die neue AMG-Studie noch mit etlichen weiteren Innovationen, die es teils auch in die Serie schaffen sollen. Highlights sind leuchtende Lackpartien an den Wagenflanken, in die Frontscheinwerfer integrierte Lautsprecher und eine neuartige Lichtinszenierung am Heck („MBUX Fluid Light Panel“). Im Innenraum finden sich unter anderem neuartige Materialien auf biotechnologischer Basis sowie Sitzpads mit offener Struktur aus dem 3D-Drucker. Als patentierte Weltneuheit präsentiert AMG zudem ein elektronisch steuerbares „Aerorad“ mit beweglichen Aeroblades.
Grundsätzlich haben sich die Entwickler bei der Studie exzessiv mit den Luftströmen und der Aerodynamik auseinandergesetzt. Der Luftwiderstandsbeiwert rangiert bei 0,198. Die Silhouette ist von einem dynamischen Fließheck, einer tief heruntergezogenen Fronthaube und einer stark geneigten Windschutzscheibe geprägt. Die Lackierung fällt mit einem kräftigen Orange-Ton auf. Dass es sich unmissverständlich um einen AMG handelt, demonstriert u.a der Kühlerverkleidung mit zehn vertikalen Streben und einem integrierten Mercedes-Stern. Als charakteristisches Merkmal aus dem Motorsport fallen zweigeteilte Luftauslässe mit je zwei Finnen in der vorderen Haube auf.
Der Innenraum des Concept AMG GT XX ist gegenüber dem exzessiven Äußeren auf das Wesentliche reduziert, aber luxuriös gehalten. Das Interieur ist fast komplett in Schwarz getaucht. Das Cockpit wartet mit zwei integrierten Screens in 10,25 bzw. 14 Zoll auf. Das Lenkrad ist mit seiner fast rechteckigen Form und je zwei Querstreben aus dem Rennsport inspiriert.
„Die besten Köpfe in unseren weltweiten Entwicklungsabteilungen haben ihr umfassendes Know-how eingebracht“, kommentiert Markus Schäfer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG. Chief Technology Officer, Entwicklung & Einkauf, die Enthüllung des Boliden. „Gemeinsam haben sie das CONCEPT AMG GT XX entwickelt und geben einen Ausblick auf bahnbrechende Antriebstechnologie und die Zukunft der Performance. Das Technologieprogramm wird die Grenzen des Machbaren weiter verschieben und neue Wege gehen. Das CONCEPT AMG GT XX mit seinen drei Axialflussmotoren hebt Performance und Endurance auf ein völlig neues Niveau.“
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