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Weniger Stationen, mehr gemeinsame Nutzung von Strom: Wie ChargePoint das „große EV-Geschäft“ angehen will

Telematik und künstliche Intelligenz (KI) sind der Schlüssel zum Laden schwerer Elektrofahrzeuge, sagt Andre ten Bloemendal, Vice President of Sales von Chargepoint in Europa, im Gespräch mit electrive. Er sieht das Unternehmen als Software-Anbieter. Wir haben uns den Ansatz des Unternehmens für die kommerzielle Elektrofahrzeugindustrie genauer angeschaut.

ChargePoint selbst sieht sich als führend im Ladegeschäft für große E-Fahrzeuge wie Lkw und Busse – so gibt es zumindest der VP of Sales in Europa an. Diese Position gilt vielleicht nicht weltweit, da das Unternehmen nicht auf dem chinesischen Markt vertreten ist, aber für Europa und die USA treffe sie zu, sagt Andre ten Bloemendal.

Es handelt sich dabei auch eher um eine Positionierung als um eine Position, die Branche ändert sich schließlich laufend. Eines der global prominentesten Beispiele ist sicher Tesla, das nach und nach seine Supercharger für Fremdmarken öffnet – und somit auf den öffentlichen Lademarkt drängt. Der Druck durch Tesla war auch einer der Gründe, weshalb es in diesem Jahr Berichte gab, wonach ChargePoint und Blink Charging schwindende Barmittel aufwiesen.

Kurze Zeit später sammelte ChargePoint frisches Kapital ein und konzentriert sich stärker auf das buchstäblich nächste große Ding im kommerziellen Laden von Elektrofahrzeugen.

Der Ladeinfrastruktur-Anbieter hat Verträge mit Unternehmen wie Iveco in Europa oder Nikola in den USA. Kommerzielle Kooperationen wie diese sind von entscheidender Bedeutung, da ChargePoint sich dem „großen EV-Geschäft“ nähert, wie ten Bloemendal es nennt.

Als Beispiel nennt er Elektro-Lkw, die auf unterschiedlichen Routen unterwegs und dabei auf Teilstrecken auf öffentliche Ladestationen angewiesen sind. Transportunternehmen müssen daher in der Lage sein, Ladestationen entlang ihrer Route zu reservieren, um sicherzustellen, dass ein Elektro-Lkw an die Säule angeschlossen werden kann, wenn die Fahrer ihre vorgeschriebene Pause machen müssen, erklärt ten Bloemendal.

„Denn selbst wenn man einen 20- oder 25-minütigen Ladevorgang durchführt und dieser nicht mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, an dem der Fahrer eine Pause machen muss, hat man stattdessen eine doppelte Ruhezeit“, sagt er. „Damit ist also eine Menge Telematik verbunden.“

Der Manager verweist in diesem Zusammenhang auf die integrierte Softwarelösung von ChargePoint, die bei der Optimierung von Routenplanung und Ladevorgängen hilft. Im Oktober brachte das Unternehmen auch eine Version für gemischte Flotten auf den Markt, die die „Routenbereitschaft“ optimiert.

Um bei den Lkw zu bleiben: Bei der Navigation berücksichtigt das System auch das Wetter (insbesondere bei Kälte) sowie den Ladestand (SoC) und den Gesundheitszustand (SoH) der Batterie. „Sogar das Verhalten des Fahrers ist wichtig“, sagt ten Bloemendal. „Dank künstlicher Intelligenz kann das System nun all diese Dinge lernen, um die Routenplanung und den Ladevorgang so optimal wie möglich zu gestalten.“

Bedarfsgerechte Energie-Verteilung

Und er sieht mehr Optimierungsmöglichkeiten als nur das Reservieren von Ladestationen. Laut ten Bloemendal wird es fast unmöglich sein, genügend Megawatt-Ladestationen aufzustellen. Es sei einfach zu teuer. Er schlägt vor, dass Unternehmen nicht nur ein Zeitfenster für das Aufladen buchen können, sondern auch die Ladeleistung reservieren können, die sie zum Aufladen benötigen.

„Wir brauchen dezentrale Energielösungen“, sagt er. „Wenn ein Standort einen Zwei-Megawatt-Anschluss an das Stromnetz hat, kann die Leistung auf vielleicht 20 Ladegeräte verteilt werden. Und ich kann dann nicht nur die Ladestation, sondern auch einen bestimmten Teil dieser zwei Megawatt für eine bestimmte Zeit reservieren.“

ChargePoint hat kürzlich seine neueste Lösung, Power Link 2.0, im Rahmen seiner „Express Plus“-Architektur eingeführt. Das Unternehmen hat mit der Einführung der neuen Technologie für Mercedes in den USA begonnen. Bei der Ankündigung der Zusammenarbeit im November sagte ChargePoint gegenüber electrive, dass dies in Zukunft zu mindestens 400 Hochleistungs-Ladestationen führen könnte. Sie wird auch in Europa eingeführt.

Bei Express Plus handelt es sich um eine modulare DC-Ladeplattform, die sogenannte Power Blocks verwendet. Diese teilen die Leistung dynamisch auf die Ladepunkte auf – je nach der Leistung, die Fahrzeuge beim Laden aufnehmen können.

Nach Angaben von ChargePoint kann die neueste Version zwei Autos gleichzeitig mit einer Leistung von bis zu 500 kW aufladen – was die meisten E-Fahrzeuge noch nicht schaffen. Es könnte jedoch immer nützlicher werden, wenn mehr E-Fahrzeuge mit höherem Energiebedarf auf die Straße kommen. „Wir wollen in Zukunft zu den drei führenden Unternehmen gehören, die eine solche Lösung anbieten“, sagt ten Bloemendal.

Aber zurück zu den Schwerlast-EVs. Die Lösung richte sich auch an Busbetreiber, erklärt der ChargePoint-Manager. Die Betreiber kennen die Route, die Fahrpläne, den Ladezustand der Batterie und andere Werte, sodass sie das Aufladen in Bezug auf Zeit und kWh optimieren können, je nachdem, wie viel Reichweite ein Bus haben muss.

„Anstatt zu denken, dass die Batterie voll aufgeladen sein muss, wenn ein Bus eintrifft, kann man die Kapazität des Standorts optimieren und die Investitionskosten senken, indem man nur das auflädt, was das Fahrzeug wirklich braucht, um ordnungsgemäß zu funktionieren“, erklärt ten Bloemendal.

Unternehmen wie die San Francisco Municipal Transportation Agency und die Pinellas Suncoast Transit Authority haben Express Plus in den USA eingeführt. Nach Angaben von ChargePoint nutzen sie auch die bereits erwähnte Telematiklösung.

„Wir sind ein Softwareunternehmen“, fügt er hinzu. „Wir wollen unsere Position in Bezug auf die Hardware beibehalten. Aber vor allem auf der Softwareseite wollen wir führend sein.“

Europas Lokalmatadore im Visier

ChargePoint hat im Sommer 2021 auch den österreichischen eMobility-Software-Spezialisten has.to.be für rund 250 Millionen Euro übernommen. Mit der Akquisition erweiterte das Unternehmen seinen Kundenstamm und seine „Kompetenz im Software-Engineering im europäischen Raum“. Etwas, worüber ten Bloemendal nach wie vor „erfreut“ ist.

Dennoch bleibt ChargePoint ein Komplettanbieter für CPOs und liefert die Hardware, „wo es sinnvoll ist, vertikal integrierte Lösungen zu haben“, sowie das ChargePoint Management System (CPMS) und E-Mobility Service Provider (EMSP) Dienstleistungen.

„Und dann haben wir natürlich die Plattform, die Roaming ermöglicht, was ein wesentliches Element für unseren Erfolg in Europa und die Ausweitung von Zahlungsdiensten im Sinne von Rückerstattungen an z.B. LeaseCo-Kunden ist“, erwähnt ten Bloemendal. Auch er sieht ChargePoint als eines der führenden Unternehmen in diesem Segment. „Allerdings gibt es ein klares ‚aber‘ am Ende dieses Satzes.“

Wie der Manager erklärt, „ist der europäische Lademarkt um lokale Helden herum aufgebaut worden“, vor allem aufgrund nationaler oder regionaler Zertifizierung und Gesetzgebung, nicht zuletzt des deutschen Eichrechts. Er findet daran nichts auszusetzen, aber „da lokale Unternehmen oft die lokalen Anforderungen erfüllten, waren sie in vielen Fällen die erste Wahl“.

Ten Bloemendal glaubt auch, dass viele dieser „Local Heroes“ Hardware-Anbieter waren oder noch sind. „Aber wenn man sich die zweite oder sogar dritte Welle der Elektrifizierung anschaut, in der wir uns derzeit befinden, haben die Kunden erkannt, dass es nicht mehr um Hardware geht“, sagt er. ChargePoint sieht bereits, dass CPOs je nach Anwendungsfall verschiedene Arten von Hardware einsetzen und gleichzeitig ein einziges CPMS suchen, um die Dinge einfach zu halten und die Kosten zu senken.

„Es gibt nur wenige Akteure in Europa, die europaweite Lösungen auf der Softwareseite anbieten. Und hier profitieren wir von unserer paneuropäischen Präsenz. Plötzlich geht es nur noch darum, wer ein für einen bestimmten Anwendungsfall relevantes CPMS anbieten kann, das hardwareunabhängig ist und Roaming ermöglicht.“

Für den ChargePoint-Manager erklärt das, warum sein Unternehmen sowohl mit der Busindustrie als auch mit Flotten kleinerer E-Fahrzeuge, wie etwa Firmenwagen, spricht. Und ten Bloemendal betont, dass er bzw. ChargePoint den Markt und die Innovation weiter vorantreiben will.

Interview von Carla Westerheide

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