
Wie Busse auch auf dem Land elektrisch fahren – Acht Fragen an Felix Burow von DB Regio Bus Nord
Mit uns hat Felix Burow über den aktuellen Stand der Antriebswende bei der DB Regio Bus Nord und die kommenden Pläne gesprochen. Diese fallen durchaus differenziert aus, denn die fünf Busgesellschaften des Unternehmens sind in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen mit verschiedensten Angeboten unterwegs: Von regulären Regionalbus- und Schulbusverkehren über Werksverkehre wie bei VW in Wolfsburg, Eventverkehre wie beim Wacken-Open-Air oder On-Demand-Verkehre in eher ländlichen Regionen wie im Rahmen von SMILE24 an der Schlei.
Im Interview mit electrive spricht Burow über die schon genommenen Hürden und weiteren Herausforderungen bei der Umstellung auf E-Busse. Genau darum wird es auch bei der VDV mobility move vom 1. bis 3. April in Berlin gehen, bei der Burow und sein Team Präsenz zeigen werden. Im Rahmen der Fachmesse findet die insgesamt 16. Elektrobuskonferenz in der Bundeshauptstadt statt. Das große Branchentreffen soll zeigen, wie der bereits effiziente straßengebundene ÖPNV noch effektiver werden kann.
Herr Burow, Sie sind Projektleiter Alternative Antriebe bei DB Regio Bus Nord. Können Sie sich an den Moment erinnern, als Sie realisiert haben: Ja, die Antriebswende im ÖPNV, sie kommt wirklich? Und wann hat Ihr Unternehmen tatsächlich Ihre gegenwärtige Stelle mit Fokus auf Alternative Antriebe geschaffen?
Meine Stelle wurde bei DB Regio Bus Nord im Jahr 2021 neu geschaffen. Und damit war auch klar, dass wir einen Transformationsprozess starten. Die Clean Vehicle Directive trat in Kraft, das Interesse bei unseren Aufgabenträgern war spürbar und wir hatten auch erste Projekte mit Elektrobussen im Kreis Segeberg und im Stadtverkehr Eutin. Und es wurden Förderprogramme sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene ausgerufen. Wir haben davon profitiert und sind gemeinsam mit den ÖPNV-Aufgabenträgern sofort in die Umsetzung gestartet. Zurzeit ist eine gewisse Unsicherheit spürbar, aber wir gehen davon aus, dass wir unseren Weg weiter gehen können.
Die fünf Busgesellschaften von DB Regio Bus Nord begegnen ganz unterschiedlichen Streckenanforderungen. Da gibt es vermutlich keine alternative Antriebslösung von der Stange. Wie durchforsten Sie ihr Geschäftsgebiet nach elektrifizierbaren Routen?
Grundsätzlich können wir alle oben genannten Angebote schon heute elektrisch fahren. Die einzige rein technische Voraussetzung ist die vor Ort vorhandene Elektro-Infrastruktur mit entsprechender Leistung. Bislang haben wir überall einen Mittelspannungsanschluss bekommen, aber es gibt Orte, in denen das noch schwierig ist. Die Fahrzeuge verfügen mittlerweile über die nötige Reichweite, auch für Überlandverkehre. Die zweite Voraussetzung ist, dass wir unsere ÖPNV-Aufgabenträger an unserer Seite haben. Diese können alternative Antriebsformen beauftragen, wir setzen die Anforderungen dann um.
Wie viele E-Busse gibt es aktuell in Ihrer Flotte? Und mit welchem Anteil rechnen Sie 2030?
Aktuell sind 10,4 Prozent unserer Flotte emissionsfrei, darunter sind hauptsächlich Elektrobusse, aber auch einige brennstoffzellenbetriebene Wasserstoffbusse. Eine Prognose für 2030 ist schwierig, da wir stark abhängig sind vom politischen Gestaltungswillen insgesamt, dem Vorhandensein von Fördergeldern und dem Auftrag durch die ÖPNV-Aufgabenträger in den Landkreisen. Das muss wie ein Zahnrad ineinandergreifen. Wir sind zu allem bereit, wollen aktiv die Antriebswende vorantreiben und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Was sind besondere Herausforderungen in ländlichen Gegenden? Und gibt’s vielleicht auch Rahmenbedingungen, die den E-Bus-Einsatz auf dem Land einfacher machen als in der Stadt?
Sobald das Thema der Netz- und Leistungsverfügbarkeit geklärt ist, gibt es kaum noch Unterschiede. Was auf dem Land oft weniger aufwändig ist, ist das Thema Lärmschutz, da die Betriebshöfe in der Regel in Industriegebieten bzw. abseits von Wohngebieten liegen. In Städten gibt es oft Mischbebauung. Die Ladesäulen erzeugen ein Dauerbrummen, weshalb je nach lokalen Gegebenheiten z.B. Lärmschutzwände eingesetzt oder zeitliche Begrenzungen für das Laden eingehalten werden müssen.
Welche Rolle spielen die Rufbusse auf dem Land? Können und sollen auch sie
flächendeckend elektrifiziert werden?
Bei On-Demand-Verkehren setzen wir uns dafür ein, dass sie elektrifiziert sind. Ein gutes Beispiel sind die Shuttle-Fahrzeuge im Modellprojekt SMILE24. Hier konnte Autokraft eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass eine Integration mit E-Autos sehr gut funktioniert. Dies lässt sich auch auf andere Verkehrsgebiete adaptierten.
Wir erwähnten schon die fünf Busgesellschaften, die zu DB Regio Bus Nord gehören. Wie selbstständig können und sollen die Gesellschaften agieren? Und in welchen Bereichen koordinieren Sie die Antriebswende lieber zentral?
Unsere Niederlassungen handeln wirtschaftlich eigenständig und auf ihr jeweiliges Marktgebiet angepasst. Die Gespräche mit den ÖPNV-Aufgabenträgern finden vor Ort statt. Erst wenn es zum Auftrag kommt, komme ich ins Spiel. Die Beschaffung der Fahrzeuge sowie der Ladeinfrastruktur erfolgt zentral, ebenso die Betreuung der Inbetriebnahme oder der laufenden Wartungsarbeiten an der Ladeinfrastruktur. Auch das Fördermittelmanagement läuft für DB Regio Bus Nord über meinen Tisch.
DB Regio Bus Nord hat nicht nur Batterie-elektrische Fahrzeuge integriert, sondern auch Brennstoffzellenbusse. Diese kommen bei Autokraft und bei Weser-Ems-Bus zum Einsatz. Welche anderen Herausforderungen bringt diese Technologie mit sich?
Die größte Herausforderung ist die Betankung, denn Wasserstofftankstellen stehen noch nicht flächendeckend zur Verfügung. Die Busse werden mit einem Druck von 350 bar betankt, dies bieten nicht alle der bestehenden Tankstellen an. Wir beschäftigen uns daher auch mit der Marktsondierung für mobile Betankungslösungen, die für eine Übergangszeit das Henne-Ei-Problem aus Angebot und Nachfrage lösen, insbesondere im ländlichen Raum. Auch für den Betrieb bringen Wasserstoffbusse andere Herausforderungen mit sich. Unsere Mitarbeitenden müssen geschult werden im Umgang mit Gas und wir müssen die Werkstätten entsprechend ertüchtigen.
Die DB hat sich zum Ziel gesetzt, 2040 klimaneutral zu sein. Wird das mit Blick auf die Busflotte bei DB Regio Bus Nord Stand jetzt klappen? Und was brauchen Sie, damit Sie dieses Zieljahr ungefährdet erreichen können?
Wir sind auf einem guten Weg und hochmotiviert, diesen voranzuschreiten. Um das Ziel zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung der ÖPNV-Aufgabenträger vor Ort sowie der Entscheidungsträger im Bund. Wir wünschen uns eine Fortsetzung der Förderpolitik der vergangenen Jahre. Freuen würden wir uns über Bürokratieabbau bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur und rund um das Thema Wasserstoff.
Das Interview ist Teil der Medienpartnerschaft von electrive mit der „Mobility Move„ vom 1. bis 3. April in Berlin. Die Session „Zukunft aufladen“ von Felix Burow findet am 2. April um 17.45 Uhr statt.
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