eon ladestation ac wallbox 2024 2
Bild: E.ON / Malte Braun
InterviewInfrastruktur

Wie Kunden vom bidirektionalen Laden profitieren – Fünf Fragen an Michael Rahi von E.ON

Bereits im vergangenen Jahr hat E.ON mit dem Pilotprojekt Bi-clEVer den Einsatz des bidirektionalen Ladens in Privathaushalten getestet. Wie sieht die Zukunft der Technologie in Deutschland aus und was funktioniert bereits? Im Vorfeld der Sonderschau Bidirektionales Laden auf der Power2Drive in München erklärt Michael Rahi von der E.ON Group Innovation, wo Chancen und Hürden liegen.

Laut E.ON können E-Autofahrer in Deutschland bis zu 900 Euro pro Jahr sparen, wenn sie das bidirektionale Laden nutzen. Eine These, die das Unternehmen mit seinem Pilotprojekt Bi-clEVer, das Ende 2024 startete, weiter erprobt hat. Die Einsparungen ergeben sich aus einer Kombination von Vehicle-to-Home (Energie aus der Fahrzeugbatterie wird zu Hause genutzt) und Vehicle-to-Grid (Energie aus der Fahrzeugbatterie wird in das Stromnetz eingespeist).

Wer über eigenen Solarstrom verfügt, kann mit einer bidirektionalen Anlage bis zu 420 Euro pro Jahr sparen. Das heißt, wenn der Kunde seinen eigenen Solarstromverbrauch maximiert und von dynamischen Stromtarifen profitiert.

Um das bidirektionale Laden in größerem Umfang (in Deutschland und im Ausland) einzuführen, müssen jedoch noch einige Hürden überwunden werden. Aber wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein, sagt Michael Rahi von E.ON Group Innovation.

Wie schätzen Sie das Potenzial von bidirektionalem Laden für die Stabilisierung des Stromnetzes ein?

Ich bin davon überzeugt, dass Elektroautos zunehmend relevante Bausteine des Gesamtsystems werden – insbesondere das Potenzial von bidirektionalem Laden für die Stabilisierung der Stromnetze ist signifikant. Um die erneuerbaren Energien und Markt-, Netz- und Systemdienstleistungen besser in das Energiesystem zu integrieren, müssen wir sowohl Kleinstflexibilitäten wie dem E-Auto als auch ganzen Haushalten die Marktintegration ermöglichen. Bidirektionales Laden kann dazu mit diversen Anwendungsfällen einen Beitrag leisten z.B. über Spitzenlastkappung. Schwankungen bei Angebot oder Nachfrage von Energie, die mit einem höheren Anteil volatiler Energiequellen wie Sonne und Wind im Strommix weiter zunehmen, können durch die Nutzung der Fahrzeugbatterie als mobiler Speicher abgefangen und Lastspitzen somit vermieden werden.

Die Konzepte für bidirektionales Laden sind sehr weit fortgeschritten und weitgehend erfolgreich pilotiert. Um diese nun flächendeckend in die Praxis zu bringen, haben wir uns bei E.ON Group Innovation dem Konsortialprojekt BDL Next angeschlossen. Gemeinsam mit Partnern wie BMW, Bayernwerk, Compleo, TenneT, KEO, EBZ, FfE, KIT und der Universität Passau erproben wir V2G, also das Zurückspeisen von Strom aus der Autobatterie in das Stromnetz, im Feldtest. Auf diese Art bereiten wir die Basis für eine marktliche Implementierung vor. Uns ist es wichtig, bei den Kunden ein Verständnis für bidirektionales Laden zu schaffen und beispielsweise zu zeigen, welche Erlöspotenziale für Kunden möglich sein werden. Deswegen haben wir den Fokus des Projekts auf den marktdienlichen Anwendungsfall des Intraday Tradings gelegt. Genauso wichtig ist es aber auch, wie zuvor beschrieben, die Netzdienlichkeit mitzudenken: Wir möchten mit Vehicle2Grid das Netz nicht zusätzlich belasten, sondern es, im Gegenteil, entlasten. Daher arbeiten wir im Konsortium an Anwendungsfällen, die genau dies sicherstellen, wie dem Hüllkurvenkonzept und dem Use Case Redispatch 3.0, um die Netzdienlichkeit von Anfang an in unserer Architektur abzubilden.

Unabhängig von den praktischen Hürden ist eine wirtschaftliche Umsetzung von Vehicle2Grid aufgrund der regulatorischen Gegebenheiten und der steuerrechtlichen Behandlung von mobilen Speichern derzeit nur schwer möglich. Wir setzen uns gemeinsam mit zahlreichen Akteuren aus der Energiewirtschaft, der Automobil- und der Ladebranche im Rahmen der „Coalition of the Willing on Bidirectional Charging“ dafür ein, eine branchenübergreifende Lösung zu finden.

Wie kann bidirektionales Laden in die bestehenden Energiemanagement-Systeme integriert werden, um eine Win-win-Situation für Verbraucher und Netzbetreiber zu schaffen?

Durch §14a EnWG kann der Kunde von einer signifikanten Reduktion seiner Netzentgelte profitieren, wenn er steuerbare Verbraucher wie bspw. Wärmepumpe oder Wallbox nutzt. Es liegt sowohl im Interesse der Verteilnetzbetreiber als auch der Endkunden, dass eine tatsächliche, kurzzeitige Drosselung der Leistung dieser Geräte nur im absoluten Notfall erfolgt und die geplante Optimierung einschränkungsfrei umgesetzt werden kann. Durch bidirektionales Laden können wir Flexibilitäten zur Verfügung stellen, um Netzengpässe proaktiv zu vermeiden, so dass eine Drosselung im besten Fall nicht erfolgen muss und Kunden trotzdem von den reduzierten Netzentgelten profitieren– also eine Win-Win Situation für alle.

Können Sie einige bewährte Verfahren aus dem Bi-clEVer-Pilotprojekt nennen – was funktioniert bereits?

In Bi-clEVer haben wir mit Pilotkunden den Proof of Concept für den V2H Use Case der PV-Eigenverbrauchsoptimierung erbracht. Anstatt überschüssigen selbst erzeugten PV-Strom ins Netz einzuspeisen, wird dieser in der Fahrzeugbatterie für eine spätere Nutzung im Haushalt zwischengespeichert. Dadurch muss weniger Strom aus dem Netz bezogen werden – was für den Endkunden einen deutlichen Kostenvorteil bedeutet. Unsere Pilotkunden konnten ihren Autarkiegrad, also die Unabhängigkeit von externen Stromquellen, verdoppeln und bis zu 420 Euro pro Jahr an Stromkosten einsparen. Technisch umgesetzt haben wir das Ganze mit dem Home Energy Management Systems von gridX, das die Stromflüsse nach einem eigens entwickelten Algorithmus steuert.

An dem Thema Vehicle2Grid arbeiten wir gerade. In Bi-clEVer konnten wir mit Hilfe eines Digital-Twin der Pilothaushalte, entwickelt von der EBZ Business School, das Erlöspotential für den Use Case der Intraday Vermarktung simulieren. In BDL Next hingegen wollen wir den V2G Use Case auch im Feld erproben, um die Basis für ein Kundenprodukt zu legen.

Wo sind noch Herausforderungen in dem Pilotprojekt?

Im Projekt Bi-clEVer kamen eine Prototypen-Wallbox von Kostal und ein Prototypen-Fahrzeug der BMW Group zum Einsatz. Dabei handelte es sich aktuell noch um proprietäre Lösungen, nicht um Serienprodukte. Mit Blick auf die Markttauglichkeit der Produkte liegt der Fokus heute auf interoperablen und günstigeren Lösungen – eine große Herausforderung, da die relevanten Kommunikationsstandards noch nicht flächendeckend implementiert sind. Wir sehen allerdings positive Entwicklungen wie den kürzlichen Verweis der Bundesnetzagentur auf die Empfehlung des VDE FNN von EEBus als Mindeststandard für netzorientierte Steuerung.

Es gibt erste bidi-fähige Hardware auf dem Markt, allerdings sind diese Modelle aktuell noch sehr hochpreisig. Zudem sehen wir derzeit noch die Herausforderung von hohen Wirkungsgradverlusten beim Laden im niedrigen Leistungsbereich, wie er für V2H üblich ist. Hier gibt es noch Verbesserungsbedarf.

Was macht das Rennen, AC oder DC BiDi Laden? Und zusätzliche Hardware im Auto oder in der Wallbox? 

Die beiden Fragen hängen meiner Meinung nach zusammen. Wenn es eine DC-Wallbox ist, kommt die zusätzliche Hardware in die Wallbox, bei einer AC-Wallbox kommt sie ins elektrische Fahrzeug. In unseren aktuellen Projekten liegt der Fokus zwar auf DC, aber wir beobachten auch einen Zuwachs an AC-Lösungen. Das liegt sicherlich auch am Kostendruck: Eine bidirektionale DC-Wallbox ist heute nur im vierstelligen Bereich zu erwerben, während AC-Lösungen deutlich günstiger sind. Letztendlich hängt es auch von den Fahrzeugherstellern ab, die lange Entwicklungszyklen haben. Während asiatische Hersteller verstärkt auf AC setzen, haben europäische OEMs bisher vor allem auf DC gesetzt. Wir beobachten daher genau den Markt. Beide Technologien haben ihre Vor- und Nachteile und damit ihre Daseinsberechtigung. Als E.ON möchten wir unseren Kunden die beste Lösung für ihr individuelles Set-Up bieten. Wie beschrieben konzentrieren wir uns dabei auf Interoperabilität, damit Kunden frei wählen können, welche Wallbox sie mit dem E.ON HEMS nutzen möchten.

2 Kommentare

zu „Wie Kunden vom bidirektionalen Laden profitieren – Fünf Fragen an Michael Rahi von E.ON“
Rainer Neumann
21.04.2025 um 13:16
"In Bi-clEVer haben wir mit Pilotkunden den Proof of Concept für den V2H Use Case der PV-Eigenverbrauchsoptimierung erbracht. Anstatt überschüssigen selbst erzeugten." Mit solchen Sätzen vergrault man interessierte Leser.
Hassan Koçac
21.04.2025 um 23:00
Mit solchen Kommentaren auch.
Häsel
21.04.2025 um 17:43
Während wir in Deutschland wieder die komplizierteste Lösung mit dem Goldrand suchen, ist es in Frankreich schon für Endkunden möglich in den Genuß von bidirektionalem Laden zu kommen- das wäre mal eine Aufgabe für die EU - schnell einen einheitlichen Standard festzulegen. Jetzt macht wieder jedes Land sein eigenes Ding......schrecklich !!!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert